Kein Ende in Sicht

Veröffentlicht am 9. September 2025 um 19:28

Kein Ende in Sicht

Auf der Suche nach einer Welt, die es vielleicht nie geben kann.

Autobahn A 45, 16:45 Uhr. Höhe Lüdenscheid, Richtung Heimat. Ruhiger Verkehr. Ohne Vorwarnung heftiges Stechen im linken Oberarm. Ein Flash - spontane Zeitreise zurück: morgens um 05:00 Uhr. Schneller Kaffee, dabei Blättern in der lokalen Zeitung. Die Handballergebnisse interessieren mich. Wie sind die Ergebnisse der anderen Mannschaften? Überblättern eines Artikels „Anzeichen eines Herzinfarktes“ – uninteressant. Doch dann nochmals kurz zurückgeblättert und den Artikel überflogen. Auf geht’s nach Münster in Westfalen. Projektarbeit in einem so wichtigen Projekt meines Arbeitgebers. Dann Rückfahrt Richtung Kronberg, ein Führungskräfteworkshop steht an. Doch so weit komme ich nicht mehr. Urplötzlich – bei dem Stechen im Oberarm - taucht der Artikel vom Morgen vor meinem inneren Auge auf. Sofort rechts ranfahren, den Warnblinker an und die 112 gerade noch anrufen können. Die Rettungssanitäter waren schnell vor Ort, genau in dem Moment, in dem sich mein Brustkorb verengte. Panik steigt in mir auf: Wird mein zweites Kind, noch nicht geboren, mich kennenlernen?

Weihnachten: Geborgen in meiner Kirchengemeinde und unter dem Weihnachtbaum, umhüllt von dem sanften Licht der Kerzen – was für ein Glück, nun zu viert zu sein. Auch wenn die Karriere nicht mehr den geplanten Weg geht. Doch scheint über allem in meinem Leben ein großer Segen zu liegen.

Einige Zeit zuvor hatte ich einen heftigen Autounfall. Ich wollte in die Nähe meiner neuen Arbeitsstätte ziehen und hatte einen Besichtigungstermin für eine Wohnung. Durch den Unfall wurde ich aus meinem selbst gedachten Plan geworfen. Interessant: Kurz nach dem Unfall hatte ich meinen Job verloren und war heilfroh, nicht umgezogen zu sein. Weihnachten mit Prellungen und einem leichten Schleudertrauma. So blieb ich in Niedernhausen und wuchs dort in die Kirchengemeinde hinein, Schritt für Schritt. Was für bewegende und Mut machende Zeiten, gerade in der Weihnachtszeit und in den vielen Begegnungen.

Tja, und nun, viele Jahre später. Weihnachten und strahlende Kinderaugen, das ist Vergangenheit. Inzwischen gehen die Kinder ihren eigenen Lebensweg. Doch jedes Weihnachten, da treffen wir uns. Weihnachten hat schon eine besondere Strahlkraft, gerade jenseits von dem ganzen Geschenkewahn und dem oberflächlichen Glimmer. Jesus wurde geboren, um uns zu erretten. Das lässt mein Herz höher schlagen, vor Freude und vor Dankbarkeit. Das ist alles unverdient, ich habe nichts dazu beigetragen.

Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an, so lautet eine Zeile eines bekannten Liedes. Bald steht die nächste Veränderung meiner bisherigen Gewissheiten an: Kein hochgeschätzter Manager mehr – nein, ein Rentner. Alles, aber auch alles, was bisher im (Berufs-)Leben getragen hatte, ist einfach weg. Und nun? Erst mal Weihnachten feiern im vertrauten Kreis, aber dann ein neues Abenteuer: Eine Reise auf der Vespa bis nach Kreta. Neben dem Erfahren der Natur und den Begegnungen mit so offenen und herzlichen Menschen – mich von der dort gelebten tiefen Spiritualität inspirieren lassen. Gelebt im Alltag, nicht nur an Weihnachten. Davon können wir uns mehr als nur eine Scheibe abschneiden.

Weihnachten bleibt, auch wenn sich die äußere Welt ändert und sich unsere so scheinbar sicheren stabilen Gewissheiten ändern. Der Herr ist geboren in diese Welt, das ist unveränderbar.

Rüdiger Schaller, 09.09.2025
Autor des Buches „In die Stille“

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