Unsere Quelle – und die große Ablenkung

Veröffentlicht am 18. September 2024 um 18:46

Unsere Quelle – und die die große Ablenkung durch die neue Knechtschaft unter dem Deckmantel der Selbstbestimmtheit. Die modernen Zeiten lassen uns durchdrehen, bis zum Burnout oder auch mehr. Wir drehen durch! Wörtlich. Motor – durchgebrannt. Burnout. Irreparabel. Es gibt Lebensphasen, da überschlägt man sich. Powern ohne Ende. An und über Grenzen, das hält man ab und an auch mal eine Zeit aus. Doch der Bogen spannt sich heute weiter, weiter in jeden Augenblick des Alltags hinein.

Mit jedem „Like“ in den „sozialen“ Medien, mit jedem Klick Ausstoß von Glückshormonen pur. Immer auf Drogen, auf der Jagd nach dem High, surfen auf der Welle des Glücks. Abhängig. Wir sind jederzeit und überall verfügbar, 24 Stunden. Ständige Ablenkung durch Smartphones, Fernsehen und mehr. Immer verfügbar.  Wir bekommen ständig was auf die Augen, in den Sinn und auf die Ohren. Wir stehen an der Ampel und scrollen auf dem Display. Wir schieben einen Kinderwagen und schicken gerade noch mal schnell an die Freundin Bilder von der leckeren Pizza.

Alles ist immer so wahnsinnig wichtig! Sonst würde man es ja nicht machen, es ist eben alles wahnsinnig wichtig. Parallel dazu ein nie abreißender Strom von Nachrichten, jederzeit präsent und verfügbar sein. Schneller Austausch mit Kollegen, mit Freunden. 15 Minuten nichts tun, Langeweile ertragen? Wer kann das noch? Irgendwann erschöpft, Ruhe suchen im Urlaub. Doch selbst am stillsten Ort ein unablässiger Gedanken- und Gefühlsstrom, wirklich runterkommen kaum möglich.

Terror über soziale Medien, wie zum Beispiel in Amerika von Donald Drumpf, der am nächsten Tag schon nicht mehr weiß, was er da losgelassen hat. Wir alle hängen da irgendwie mitten drinnen. Weil wir ein Gebot Gottes missachten, das Gebot der Ruhe, der Stille: Nie Stillstand, keine Pause, kein Abschalten. Wir sind immer im Stand-By. Nicht nur unser Fernseher ist im Stand-By, auch wir sind immer und ständig im Stand-By. Immer an, jederzeit. Immer auf dem Sprung. Es ist kein Wunder, dass wir mit dem ganzen Wahnsinn nicht mehr klarkommen. Wir ballern sofort zurück. Statt erst mal nachzudenken. Ich höre was, ich sehe was. Sofort Daumen hoch oder Daumen runter. Sofort bewerten. Statt verarbeiten, was gerade gelaufen ist. Wir drehen durch. Ganz individuell und auch als Gesellschaft. Krank- und wahnhaft das Geschehen.

Ein Ausweg? Gibt es einen Weg, zurück zu unserer Quelle, der Quelle unseres Seins? Ein Weisheitslehrer gab einen Hinweis: „Stille – lass die Stille Dich zum Kern des Lebens bringen“ (Rumi). Doch was ist Stille?

Eine erste Annäherung an die Stille. Sie ist das Gegenteil von Geräuschen, von Lärm. Je mehr ich mich damit beschäftige, wird mir mein innerer Lärm bewusst. Ständig dieser Gedankenfluss, der mich auch immer sofort in Bewegung bringt. Still und ruhig mal irgendwo sitzen? Ich schaffe das nicht. Schon nach Sekunden bin ich in meinen Gedanken gefangen. Selbst die Gebetsstille, da kommen mir die merkwürdigsten Gedanken. Innerlich empfinde ich dies inzwischen als Lärm. Dieser Lärm nervt mich ohne Ende. Doch je mehr ich die Gedanken beiseiteschieben will, desto stärker werden sie. Ich werde immer unruhiger. Die Stille, aus dem althochdeuten übersetzt, bedeutet ohne Bewegung, ohne Geräusch. Da denke ich an einen ruhigen kleinen See auf meiner letzten Wanderung. Da konnte ich mich drinnen spiegeln. Auf meinen Gedanken rückübersetzt: Innerlich bin ich völlig aufgewühlt, wie kann ich da Stille finden? Den Rückweg zum Urgrund meines Seins? Irgendwie müsste es gelingen, Gedanken und Gefühle von den Reaktionen zu entkoppeln. Dann werde ich zumindest einen Geschmack von Stille bekommen, so meine Hoffnung.

Warum fällt mir Stille oft so schwer?

Ich treffe auf alte Bekannte: Versagensängste, schmerzlich empfundene Zurückweisungen in früher Kindheit, Angst vor Krankheit und Tod und einiges mehr. Sie stehen vor dem Rückweg ins Paradies, so wie die Erzengel, die dort Wacht halten. Immer wenn ich mich nähern will, dann melden sich die Ängste und Sorgen und andere Probleme immer wieder zu Wort, dominieren mich auf teils unbewusster Ebene. Halten mich unablässig in Bewegung.

Wie komme ich in die Stille?

Was bringt mich immer wieder raus aus dem Versuch in die Stille zu gehen? Ich falle genau dann raus, wenn ich meine Achtsamkeit auf die Bäume, Autos, Häuser und Menschen lenke. Dann bin ich meist, gerade bei den Autos, in der Abwehr: „Wieder so ein SUV, muss doch nicht sein. 2,5 Tonnen Stahl für 80 Kilo Mensch“. Bei Menschen bin ich ständig in der Bewertung, oft Abwertung: „Was macht der denn für ein Gesicht?“ „Warum grüßt der denn nicht zurück?“ Irgendwie muss das anders gehen, mal auf dem Wochenmarkt üben, mich nicht auf die Menschen zu fokussieren, sondern eher mal die Aufmerksamkeit auf den Raum „dazwischen“ zu legen. Morgens, da ist der Markt noch nicht so überlaufen. Zu viele Menschen würden mich bestimmt wieder ablenken. Mal einen anderen Fokus in den Blick legen, nach ein paar Versuchen: Der Raum den ich „dazwischen“ sehe, dehnt sich fast unendlich weit aus – „wow, was für eine Weite und Präsenz!“. Nur eine erste Erfahrung.

Das befeuert meine Sehnsucht: Ruhen in tiefem inneren Frieden. Aus dieser Quelle heraus handeln - das ist meine Sehnsucht. Doch wo ist diese Quelle zu verorten?

Ein Zugang über eine Ebene unseres Seins in dieser Welt: Die Seele.

Die Seele, sie ist das, was ich wirklich bin, was mich ausmacht. Sie ist das, was Gott an Lebendigem in mich gepflanzt hat, sein Atem in mir, sein göttlicher Funke. Die Seele ist weit mehr als mein Spiegelbild und als der gebrechliche Körper, den ich irgendwann einmal wieder ablege. Die Seele beschränkt sich nicht auf Gene und Gedanken, sie ist die Kraft, die mich lebendig sein lässt. Und sie weckt in mir eine Sehnsucht nach etwas, das weit über mich hinausgeht. Weil sie weiß, wo ich herkomme und wo ich hingehe. Sie kennt nicht nur das Ich, das ich bin, sondern auch mein göttliches Gegenüber.

Was fehlt denn nun?

Gott stellt dem ganzen Tohuwabohu, diesem irrsinnigen Rasen, was entgegen. Er schafft heilige Zeiten. 3. MOSE 23.

Arbeit ist gut, dann wenn sie begrenzt ist. Das steht sehr klar in dieser Bibelstelle. Weil wir Ruhe brauchen. Wir brauchen Zeiten, in denen wir nichts tun. In denen wir nicht funktionieren müssen. In denen wir uns mit nichts beschäftigen. Nichts produktiver schaffen müssen. Nichts von uns gefordert wird. Zeiten, in denen wir nichts von Anderen wollen.

Eins fehlt noch, das ist aber für viele Menschen unattraktiv: Zeit für Gott. Das wir Beziehungszeit brauchen, für die Familie, für den Partner, für die Partnerin. Freundinnen und Freunde, das ist für viele noch einsichtig bewusst.

Aber: Zeit für Gott?

Zeit für Gott, weil die Zeit mit Gott heilige Zeit ist. Heilige Zeit, das sind Augenblicke, die unser Leben veredeln. Wenn wir das nicht machen, verpassen wir was. Wir laufen in Gefahr, in all den Dingen unseres Lebens unterzugehen. Es ist gut, sich an Gott anzudocken. Weil er uns auch einen ganz anderen Input geben kann. Weil wir hier einfach auch mal zur Ruhe kommen können. Und einfach nur sein können., Das ist lebensnotwenig. Die Bibel sagt, das ist heilsnotwendig. Es heilt uns. Heilige Zeiten sind heilsame Zeiten.

Es geht um die Ruhezeiten in unserem Leben. Es geht um die kurzen Ruhezeiten am Abend und in der Nacht. Am Wochenende. Im Urlaub. Wer sich Ruhezeiten nimmt. Der tut sich etwas Gutes.

Er geht verantwortungsvoll mit seinen Verpflichtungen um. Er läuft nicht Gefahr, oberflächlich zu werden. Er setzt auch nicht leichtfertig Beziehungen aufs Spiel. Er ist weniger verführbar durch schnelle Antworten. Er verwurzelt sich in Wahrheiten, z.B. der Heiligen Schrift. Die seit Jahrtausenden Menschen gutgetan haben. Er gibt Gott die Chance, sich inspirieren zu lassen. Er eröffnet Sinnhorizonte, die aus der Stille aufsteigen. 

Etwas Neues zu entdecken, aus der Stille heraus. Er nährt sich an der Heiligkeit Gottes, er bekommt einen Vorgeschmack der Welt Gottes. Und er eröffnet ein Gefühl für den Horizont des ewigen Lebens. Das alles kann geschehen in der Stille, in der Ruhe. 1. Gebot: Gott spricht, ich bin der Herr Dein Gott. Ich habe Dich aus dem Lande Ägyptens, aus dem Haus der Knechtschaft herausgeführt. Aus dem Haus der Knechtschaft.

Jeder einzelne von uns ist eingeladen: Sich nicht wieder in neue Knechtschaften hineinzubegeben. Wir haben alle Möglichkeiten, unser Leben ein Stück weit selbst zu steuern.

 

Rüdiger Schaller, 18.09.2024

Autor des Buches: In die Stille

 

Inspiriert von Jürgen Seinwill:

Predigt - 4. Gebot "Von der Schwierigkeit, den Sonntag zu heiligen" (youtube.com)

Lektorat: Dominique Zapfe-Nolte

Blog zuvor: Sehnsucht

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