Gemeinsam geht mehr!

Veröffentlicht am 30. April 2025 um 17:52

Der bisher größte Lauf für mich steht an. Meine Vorstartspannung findet schon 3 Stunden vorher kein Ventil. Alle Laufklamotten, die Gore Tex Laufschuhe, alles ist gepackt. Los geht´s. Die Anfahrt: Unerklärliche Nervosität beschleicht mich. Mehr als vor dem ersten Bieler 100er. Aus dem Bauch pulsiert es über das Herz bis in den Hals. Einparken am Ziel? Fehlanzeige! 2 Meter vorne, 2 Meter hinten Platz- nach drei Versuchen parke ich eben doch relativ schräg ein und schalte den Motor ab. Beklommen gehe ich zum Start.

Dort ist es still, es ist, als ob das ganze weite Rund voller Spannung den Atem anhält. Sieben Grad. Leichter Wind weht Regentropfen ins Gesicht. Blätter wehen von den herbstlich gefärbten Bäumen nach nirgendwo. Mir fallen Steine vom Herzen als ich Alexandra aus der Laufgruppe "We run Wiesbaden" zusammen mit ihrer kongenialen Laufbegleiterin Amy sehe. Aufmunternde Worte vor dem Start; es geht los! Erst nach zwei Minuten merke ich, dass ich laufe! Unglaublich! Weiche, runde Bewegungen des operierten Knies. Stabil und sicher fühlt sich alles an. Unser Gespräch hat mich so abgelenkt, dass ich meine ganze Anspannung vergessen habe. Wir unterhalten uns angeregt weiter, bis wir die erste Runde geschafft haben.

Von 100 auf 0 auf 1 km in sechs Monaten. Nein, es geht nicht um die Beschleunigungswerte der modernen Kampfpanzer auf unseren Straßen, die oft und oft auch gezielt als Waffe genutzt werden. Nein, mein erster Lauf stand an. Vorausgegangen waren viele Stunden der Physiotherapie. Mobilisierung des Knies, dann der verbackenen Kniescheibe. Wunderbare Unterstützung - jeder Griff, jede Übung hatte mir geholfen. Auch wenn die ersten vielen Wochen mit der Orthese beschwerlich waren. Zu Beginn die 800 m bis zur Physio, immerhin in 50 Minuten geschafft. Mit der Erklärung der Griffe zur Mobilisierung der Kniescheibe folgte ich dem Rat von Michael Lederer, dem unermüdlichen Erfinder und Organisator von Spendenläufen und fand den Weg ins Thermalbad in Wiesbaden. 30 Tage, zunächst zwei, dann bis zu vier Stunden: 10 Minuten in dem Wasser gehen, 10 Minuten Mobilisierung, dann 10 Minuten Narbenmassage an der Massagedüse. Insgesamt ca. 90 Stunden, bis die Entzündung aus dem Knie und die Beweglichkeit wieder da waren. Endlich der nächste Schritt: Ab Mitte August wieder Krafttraining für die Quadrizepsmuskulatur. Von 20 Pfund auf inzwischen 84 Pfund einbeinig. Das waren 32 mal, immer wieder um 2 Pfund gesteigert. Endlich ist das Knie stabil.

Tja, und heute, das war tatsächlich der erste Lauf. Unfassbar lange darauf hingearbeitet - doch nun ist er Realität geworden. Ich atme durch, freue mich und folge dem Impuls nicht, der mich schon auf die zweite Runde schicken will. Auch weiterhin Geduld üben, dass ist glaube ich der richtige Weg. Nicht in der Freude nun alles wieder kaputt machen. Doch eines blitzt auf: 10 Minuten für 1 km, das ist ja schon ganz gut in Richtung Biel 2020. Ich spüre, irgendwie erinnert sich der Körper. Der Anfang ist vollbracht. Aufatmen: Ja auch die Bronchialmuskulatur atmet mit auf. Ich habe Asthma, da tut es der oberen Bronchialmuskulatur unendlich gut, wenn sie trainiert wird. Die ist in den letzten Wochen zunehmend erschlafft. Jetzt spüre ich, es geht wieder aufwärts aus einem tiefen Tal. Ich hatte lange kein Licht mehr gesehen, bin aber drangeblieben. Dranbleiben, das ist wohl der Schlüssel. Viel Unterstützung hatte ich bekommen, auch schöne Erlebnisse: Eine unendlich große Hilfsbereitschaft, wie ich mit dem Bus zum Thermalbad gefahren bin. Ob Alt und Jung, unabhängig von der jeweiligen Herkunft: Alle sorgten sich um mich. Auch die Busfahrer warteten alle, bis ich einen Sitzplatz hatte. So viel mehr gäbe es noch zu erzählen, dass aber an anderer Stelle. Jetzt, ganz punktuell, Danke an Alexandra und Ann Catrin für die Unterstützung für diesen so wichtigen ersten Lauf. Ebenso an Marion. Ann Cathrin: Auch Du wirst wieder ins Laufen kommen! Wann immer es ist, in Deiner Zeit: Ich supporte Dich!

Jetzt, ein paar Stunden nach dem Lauf, hat sich Erleichterung in mir ausgebereitet, gepaart mit stiller Freude. Ja, ich bin stolz auf mich und dankbar, dass ich wieder so richtig ins Leben komme.

Beitrag von Rüdiger Schaller 17.11.2019 

 

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