Laufen und Corona

Veröffentlicht am 30. April 2025 um 18:00

Schweißgebadet schrecke ich aus schwerem Schlaf auf. Der Albdruck will nicht weichen, auch nicht beim Blick aus dem Fenster in die erblühende Natur. Sonnenschein pur, strahlend blauer Himmel und prachtvolle, schneeweise Blüten eines Birnenbaums bieten sich mir dar. Klare, erfrischende Luft. Doch sie trägt den unsichtbaren Tod. Ich bin wie gefangen in dem Traum. Einlieferung ins Krankenhaus mit dem neuen Virus, Atemnot. Das ist mir als Asthmatiker schon fast das ganze Leben über eine düstere Begleitung.

Doch ein weiterer, gleichaltriger Patient wird eingewiesen - ohne Vorerkrankung. Nur noch ein rettendes Beatmungsgerät ist verfügbar. Mein Todesurteil. Ich werde ermordet, bin hilflos; wehrlos. Niemand, der mich schützt. Der Ethikrat hat ja unendlich einfühlsam und wasserdicht die Kriterien entwickelt. Um die pflegenden Menschen in der so unendlich schwierigen Situation möglichst zu entlasten. Bei ihren Entscheidungen über Leben und Tod. Die Verwertbarkeit von Menschen entscheidet über ihr Weiterleben, so meine Angst.

Nur langsam weicht der Druck von mir. Ich schnüre meine Laufschuhe; Laufen - auch Hilfe bei Depressionen. Nach kurzem Warmlaufen bin ich im Wald. Meine geliebten Wälder durchschnüren. Klare und frische Luft, keine Flugzeuge am Himmel, kein Verkehrslärm. Nur hin und wieder das Zwitschern der Vögel und das Tappen der eigenen Schritte. Unendlich Dankbar bin ich, dass ich wieder so laufen kann; nach dem heftigen Unfall im letzten Jahr. Ab November letzten Jahres - der 1. Kilometer wieder - wieder reingearbeitet in das Laufen. Nur vom Kopf gesteuert: Ja, Laufen tut Dir gut. Doch der Köper, der hat das nicht gefühlt. Laufen aus Pflichtgefühl für mich, meine Gesundheit. Erst Mitte Februar, da war alles rausgelaufen. Alles, was ich an Medikamenten genommen hatte, die ganze psychische Erschöpfung. Und dann stand der erste Wettkampf an, über ca. 30 KM. Doch es war einer der ersten Läufe, die abgesagt wurden. Toll, dass die Startnummer auf das nächste Jahr übertragen wird. Da habe ich die Startgebühr nochmals entrichtet, für den kleinen Verein, der rein ehrenamtlich tätig ist. Dann purzelten die Absagen rein: Mainz, Biel.

Kurz nach dem Urlaub im Norden wieder Zuhause: Reduktion der Trainings fast wieder auf Null. Als Asthmatiker und Infekt-anfällig - in Coronazeiten lieber keine Erkältung riskieren. Jetzt ab April, das Wetter ist besser, wieder gestartet mit kontinuierlichem Training. Nächstes Jahr, da kommen die Wettkämpfe wieder auf die Tagesordnung. Die ersten Trainingskilometer im April 100km stehen. Langsames und entschleunigtes Aufbauen. Mehr und mehr zurück zur reinen Freude am Laufen, keine Trainingsläufe. Dran bleiben am Leben, über das stetige und genussvolle Laufen und das Eintauchen in die Natur das Leben genießen. Für die Gesundheit sorgen. Ja, wenn es an der Zeit ist, auch Wettkämpfe und deren besondere Atmosphäre genießen. Alles zu seiner Zeit. Ich bin dankbar, wieder ganz im Leben zu sein. Dran bleiben am Leben - es lohnt sich!

Beitrag von Rüdiger Schaller 27.4.2020 

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