Ein Blick zurück, zunächst auf den Streckenplan. Auf die große Schleife. Sie scheint dazuliegen wie eine Schatztruhe. Nur wer sie öffnet, kann die verborgenen Schätze heben.
Erinnerungen: Begegnungen mit Menschen. Gleich zu Beginn ein freudiges Wiedererkennen - "Du, Du warst doch letztes Jahr auch dabei!" Herzlicher Empfang schon am Infostand. Dann zaghafter Beginn neuer Freundschaft. In der Turnhalle, die Frage eines Erststarters nach ein paar Tipps. So konnte ich einiges von den Ratschlägen aus dem LaufReport, die mir bei meinen ersten Starts geholfen hatten, weitergeben. Wir trafen uns auf der Strecke ein paar Mal und tauschen uns weiter aus. Mal liefen wir auch eine Weile schweigend nebeneinander. Im Ziel aufeinander gewartet und gemeinsam kurz gefeiert - dann musste Jürgen weiter. Später traf ich noch Clara und Leo Bleuel, früherer Spitzenläufer in Biel und Autor eines schönen Buches: "Island-Erlebnisse - 1401 km zu Fuß rund um Island". Die Beiden feuern mich nun schon seit dem ersten Jahr, in dem wir Bekanntschaft miteinander machten, immer an derselben Stelle kurz nach dem Start an. Auf diese Begegnung, freue ich mich jedes Mal. Wie auch auf die vielen Menschen und die freiwilligen Helfer, die uns Läufer so Klasse unterstützen; die sich beispielsweise an den Verpflegungsständen um unser leibliches Wohl bemühen und dann auch wieder motivieren, weiterzulaufen. Zu erwähnen, ohne auf Vollständigkeit achten zu können, auch auf die Helfer, die auf unsere Wertsachen aufpassen. Dort sind sie in guten Händen, da habe ich ein sicheres Gefühl. So wie auch auf und neben der Strecke vieles für unsere Wohlergehen organisiert ist.

Und selbst bei dem sechsten erfolgreichen Lauf: Es wird nie langweilig, immer gibt es Neues zu entdecken sowie Zeit und Raum zum Experimentieren. Dieses Mal Start ohne die Laufuhr einzuschalten. Rein auf den Körper, die Strecke und das Gefühl für das Tempo achten. Gleichsam in einen Flow hineintauchen und sich dabei tragen lassen. Und doch auf das Ziel hin ausgerichtet. Die Strecke in gut verdaubare 5er-Stücke aufteilen und nur von "Stück zu Stück" denken - das befreit von der Last, auf das Ende "hochzurechnen"; das geht eh meist schief. So kommt auch Freude auf, während des Laufens. Einfach über die Bewegung. Dazu dieses Mal auch noch ein fantastisches Wetter. In der Nacht sternenklarer Himmel und zwar kühle, aber nicht als kalt empfundene Temperaturen. Weit nach Mitternacht, kurz nach KM 40 auf einer Steigung dann auch die Lauflampe ausgeschaltet - mit ruhigem Schritt den Hügel hinauf, Kräfte sparen und noch tiefer in den Natur eintauchen: Die duftenden Felder grenzen sich deutlich gegen den dunkleren Baumbestand auf dem Höhenrücken ab. Darüber spannt sich das unendliche Sternenzelt. Klar und ruhig und weit. Nur ab und an das Tappen der Schritte von Stafettenläufern, die es eilig haben. Eine ganze Weile später dann auf dem Emmendamm, dem Teilstück, das so verdammt schwer zu laufen ist, der Sonnenaufgang. Ein glutroter Feuerball über den Bergen, die sich am Ende der Ebene majestätisch erheben. So ab KM 65 wird es wärmer, ab KM 80 spüre ich, wie die Sonne anfängt, dem Körper Kräfte zu entziehen. Die Erfahrung mit der Strecke hatte mir hier geholfen - gute Krafteinteilung war gefragt. Ab KM 70 unterstützt dann doch von der Laufuhr als Orientierung - in Zeit und Raum. Und die letzten zehn Kilometer einem inneren Impuls gefolgt und einen Schlussspurt angezogen. Der hat nochmal psychisch einiges befreit. Muster, die mich an einer gesunden Entfaltung meiner Kräfte, an der Ausdehnung meines Wesens hinderten, wurden durchbrochen. Mehr als ein Vorgeschmack, wie sich der freie Tanz der Seele, der Selbstausdruck, auch im Alltag anfühlen kann. Rein und klar, völlig fokussiert auf das Ziel. Voller Freude rein über das Tun.
Dennoch bleibt zu "Risiken und Nebenwirkungen" etwas anzumerken: Montag, nach dem Aufstehen und auf dem Weg zur Arbeit, da fühlte ich mich, als hätte ich einen Intensivurlaub von über 4 Wochen hinter mir. Der Kopf war - und ist es auch heute noch - einfach frei. Wenn das der Arbeitgeber erfährt - das könnte Konsequenzen vielleicht für alle Mitarbeiter haben: Ein Wochenende Biel gegen 20 Tage Urlaub! Das wär´s, oder?
Dankbar bin ich dafür, dass ich das eingangs beschriebene und noch mehr erleben durfte, auch wenn die ersten Monate des Jahres trainingstechnisch durchwachsen waren. Mehrfach krank und nun aber doch einen guten Lauf, keine Blessuren, keinen Muskelkater und tiefe Erfahrungen, die im Alltag weitertragen. So viel im Moment zu "Biel 2013".
Beitrag von Rüdiger Schaller
Kommentar hinzufügen
Kommentare