Nein, meine Zeit verkaufe ich nicht!

Veröffentlicht am 5. November 2024 um 15:41

Nein, meine Zeit verkaufe ich nicht! Gedanken zur Adventszeit und den Gedenktagen im November. Eine Einladung in eine Zeit, in einen Raum der Liebe einzutreten, ins Licht des anbrechenden Tages. 

Nein, meine Zeit verkaufe ich nicht! Gedanken zur Adventszeit und den Gedenktagen im November. Eine Einladung in eine Zeit, in einen Raum der Liebe einzutreten, ins Licht des anbrechenden Tages. 

Doch alle Jahre wieder: Der Kommerz und die von ihm profitierenden Medien gehen nach dem goldenen Oktober direkt in die glänzende und funkelnde Adventszeit über. Die dunklen Zeiten im November kommen dort nicht vor.

Aber gerade in der dunklen Zeit im November haben wir etliche Anlässe, den Gedanken an Sterben und den Tod, an die uns nahestehenden Verstorbenen und den Gedanken an unsere eigene Vergänglichkeit, Raum zu geben. Doch mehr und mehr werden wir mit anderen Bildern überschüttet, die uns und unser Erleben und Handeln in der Gesellschaft nachhaltiger beeinflussen, als uns dies bewusst und lieb ist.

Eine Frage zum 01.12. den Beginn der Adventszeit: Haben wir Geduld? Es sind doch nur noch 23 Tage bis Weihnachten. Für kleine Kinder ist das eine Ewigkeit. Geduld und Warten fällt auch uns Erwachsenen schwer. Aber worauf warten wir eigentlich in der Adventszeit? Ein Zuspruch aus dem Jakobusbrief (Der Brief des Jakobus, auch Jakobusbrief, ist ein Brief des Neuen Testaments der Bibel): „Seid auch ihr geduldig und stärkt eure Herzen; denn das Kommen des Herrn ist nahe.“ Das regt zum Widerspruch an!

Dort heißt es: "... das Kommen des Herrn ist nahe.", Könne wir das glauben? Ganz deutlich gesprochen: Glauben Sie, dass Jesus Christus morgen, in einer Woche oder doch wenigstens im Laufe des nächsten Jahres wieder kommt. Auf den Wolken des Himmels oder wie ein Blitz, der den ganzen Horizont erleuchtet oder wie es sonst noch in der Bibel erwartet wird?

"So seid nun auch ihr geduldig ...!" Bringen wir diese Geduld wirklich noch auf? In dieser hektischen Zeit? Und da meine ich nicht nur die Wochen auf Weihnachten hin, sondern überhaupt das Leben in diesen schwierigen Jahren der Krisen, der Unsicherheit und der Angst angesichts der Zukunft. Geduld, können wir das Geduld nennen, wenn in unseren Herzen eigentlich nur noch Bangigkeit und böse Erwartung ist: Vor dem Verlust des Arbeitsplatzes etwa, vor Krankheit, vor Überfremdung, Flüchtlingen und Terror oder auch vor Altersarmut und davor ins gesellschaftliche Aus zu geraten. Angst vor dem Alter und der Pflegebedürftigkeit und noch vor so manchem, was nur wir selber wissen?

Die Zeiten im Wandel: Was heißt Advent eigentlich?

Früher sollte der Advent an die Wiederkunft Christi am Ende der Welt erinnern. Er sollte die Menschen vorbereiten. Die Adventszeit war eine Fastenzeit, so wie die Passionszeit in den Wochen vor Ostern. In dieser Zeit hatten sich die Menschen ganz bewusst zurückgenommen. Gefastet, kein Fleisch gegessen, sich bereit gemacht für den Zeitpunkt, an dem Jesus wiederkommt um uns zu sich holt. Keine Plätzchen, kein Glühwein, keine Schokolade. All das gab es erst zu Weihnachten. Nicht vorher. Schließlich war es kurz vor 12 und diese letzten Wochen wollten die Menschen ganz bewusst erleben. Denn schließlich, welcher Termin konnte wohl besser sein zur Wiederkunft Christi, als sein Geburtstag?

Die Bedeutung unserer Traditionen ist unter all der Sorge um die Geschenke meist verloren gegangen.

Unser Umgang mit Zeit

Zunächst zu der Zeit, sie ist kostbar, unsere Zeit. Kostbar ist uns unsere Zeit; sie ist unser kostbarstes Gut, neben unserer Gesundheit. Und es gilt, die Zeit zu nutzen und nicht zu vergeuden. Es ist gar nicht so einfach sich die Zeit gut einzuteilen; kein Wunder, dass es sogar Fortbildungen für Zeitmanagement gibt. Wir wissen schließlich auch: Zeit ist Geld. Wer zu lange wartet, der wird von der Zeit überholt. Und so stopfen wir unsere Tage voll und füllen die Terminkalender so lange, bis wir keine Zeit mehr haben: Tut mir leid, aber ich habe leider keine Zeit. Wir wollen nicht lange warten bis wir uns einen Wunsch erfüllen. Wir wollen Probleme umgehend lösen. Wir beschleunigen Arbeitsvorgänge, denn wir wollen rasch Erfolge sehen. Wir wollen schnell viel Geld verdienen - lieber jetzt als gleich.

In allen Bereichen herrscht Ungeduld. Da können Kinder gar nicht früh genug in die bildungsnahe Krippe – Bildung ist keine Frage des allmählichen Wachstums und der Entwicklung von Begabungen, sondern Bildung wird machbar. Die Ungeduld ist hoffähig geworden. Schulzeiten werden verkürzt, die Studienzeit in Bachelor-Korsette gezwängt. Und die Politik macht Gesetze zur Wachstumsbeschleunigung. Wir sehen das Bild und wissen zugleich, dass wir es längst auch in der Landwirtschaft mit raffinierten Wachstumsbeschleunigern versuchen. Doch wir wissen auch um die Folgen für Mensch und Natur.

Ich glaube es tut gut, sich an die Gesetzmäßigkeiten der Natur, an Gottes Schöpfung zu erinnern. Je mehr wir den Bezug zur Natur verlieren, umso mehr vergessen wir, dass Wachsen und Reifen, Entstehen und Werden seine Zeit braucht.

Das Versprechen von Jakobus

Hatte Jakobus seinen Glaubensgeschwistern damals das Blaue vom Himmel versprochen? Nein, ich bin überzeugt er hatte recht - und er hat auch heute noch recht: Das Kommen des Herrn ist nahe.

Wir sind nicht Gott, darum können wir den Zeitpunkt seines Kommens nicht ermessen. Entscheiden können wir aber, ob wir seinem Evangelium, der frohen Botschaft, vertrauen und bereit sind, geduldig zu warten. Dies ist heute allerdings aus der Mode gekommen. In unserer Gesellschaft zählt oft allein der schnelle Erfolg. Wir beurteilen unsere Situationen oft nur vom gewünschten Ergebnis her. Wir sind kaum bereit auf ein Ziel hin zuwarten. Wir fordern sofortigen Lohn für unsere Anstrengungen. Stellt sich der Erfolg aber nicht rasch genug ein, wird das Projekt aufgegeben, etwas Neues angefangen. Dies ist schon bei Kindern zu beobachten, die Mühe haben sich auf eine Sache zu konzentrieren, um komplizierte Dinge zu lernen. Oft spricht man dann von einer geringen Frustrationstoleranz.

Die Adventszeit

Die Adventszeit lädt uns ein, innezuhalten und Warten einzuüben – bewusst auch die eigene Haltung zum Aushalten einmal kritisch zu überprüfen. Doch wie ist es eigentlich um die Geduld bei uns Erwachsenen bestellt? Können wir es aushalten, an einer Sache dran zu bleiben ohne dass sich die gewünschte Veränderung einstellt?  

Die Adventszeit lädt uns ein, innezuhalten und Warten einzuüben – bewusst auch die eigene Haltung zum Aushalten einmal kritisch zu überprüfen.

Geduld mit Gott haben.

Er ist der Herr der Zeit. Gott ist der souveräne Herrscher, der die Welt geschaffen hat und in seiner Hand hält. Wir können Gottes Gerechtigkeit und sein Reich nicht herbeizwingen. Alle Versuche, das Reich Gottes auf Erden mit Gewalt herbei zu schaffen sind kläglich gescheitert. Sein Reich kommt auf uns zu.

Wenn Jakobus zu Geduld so eindringlich mahnt, dann nicht nur, um zu einem gelassenen Umgang mit anstehenden Problemen aufzurufen, sondern um Gottes Advent nicht aus den Augen zu verlieren.

Die Bitte um Geduld wäre nicht vollständig, wenn wir dabei nicht an die Geduld dessen dächten, der da auf uns zukommt. Nicht auszudenken, was geschähe, wenn Gott die Geduld mit uns verlieren würde, wenn ihm der Geduldsfaden risse. Aber da ist es, - Gott sei Dank -,  mit Gott wie mit Eltern, die gegen allen Augenschein, geduldig mit dem langen Atem der Leidenschaft an einem Kind festhalten, das sich verrannt hat; sie geben es nicht auf, auch wenn alle Welt sagt, das ist doch ein hoffnungsloser Fall. Es ist die Liebe, die diesen langen Atem der Leidenschaft überhaupt erst möglich macht. Und erst Gottes Liebe lässt uns in seine Geduld einstimmen.

Liebe verträgt keine Ungeduld. Ungeduldige Liebe verzehrt nicht nur sich selbst, sondern auch das geliebte Du, denn sie gewährt ihm keinen Raum und keine Zeit.

Die Zeit des Advents ist die Zeit, die Gottes liebevolle Geduld uns gewährt; er gewährt uns die Zeit und er macht den Raum unseres Lebens weit. Er lädt uns ein in seinen Advent. Er bittet uns in seine Zeit, in seinen Raum der Liebe einzutreten, ins Licht des anbrechenden Tages. Und da, schon ganz in seiner Nähe, da können wir geduldig auf ihn warten und selber den Mut haben, anderen Menschen geduldig Raum und Zeit zu schenken – gerade im Advent. Da könnte dann, während wir ebenso geduldig wie leidenschaftlich auf sein Erscheinen warten, uns so mancher Reichtum im Zusammenleben überraschend zuwachsen, von dem die Ungeduld unserer Herzen keine blasse Ahnung hat.

 

Rüdiger Schaller - 05.11.2024

Autor des Buches "In die Stille"

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