Es ist wahr: Nicht Hybris prägt diese Aussage. Biel, das ist ein Erlebnis der besonderen Art. Nicht nur ein Ultra-Lauf über 100 km. Viel wurde in den letzten 49 Jahren über diese Nacht gesagt und geschrieben, so wurde dieser Lauf zu einem Mythos. Und doch ist er lebendig. Jede Nacht ein einzigartiges Erlebnis.
Der 49. 100-km-Lauf von Biel.
100 km – eine Hürde selbst für manchen Marathonläufer. Meist eine mentale Hürde. Mut ist erforderlich, sich auf diesen Weg zu begeben; Unwägbarkeiten begleiten einen Läufer durch die Nacht. Grenzerfahrungen sind gerade hier möglich. Entdecken eigener innerer Grenzen, diese überschreiten und sich in ein neues Land von Erfahrungen wagen. Ja: Neues entdecken, das ist neben der sportlichen Herausforderung eine der großen Chancen für jeden der Starter. Diese Augenblicke sind im Gegensatz zur Vorbereitung des Trainings nicht planbar. Oft unvermittelt und überraschend tritt diese Art von Erfahrung ins Leben. Sie mit Achtsamkeit annehmen, das führt hin zu einer Integration ins Leben. Doch zu individuell und oft auch zu persönlich sind diese Erlebnisse, um sie im Detail zu schildern. Auf jeden Fall führen sie zu einer Bereicherung des Lebens, das Land der Erfahrungen wird weiter.


Was bleibt von den äußeren Eindrücken? Einige Impressionen: Unvergesslich die Lichterkette in dunkler Nacht, das ältere Ehepaar, dass morgens sich im Café erhebt und auch den einsamen Läufer, der schon über 10 Stunden unterwegs ist, aufmuntert. Unvergessen auch der Mitläufer, der bei Kilometer 85 einem anderen Teilnehmer, der stehen geblieben ist, die Hand auf die Schulter legt und ihn aufmuntert. Er verlangsamt dafür sein Tempo, zieht so den einsamen Läufer mit sich und bringt ihn wieder in Bewegung; dem Ziel entgegen. Der Start: Getragen von der Begeisterung der Zuschauer durch die Bieler Innenstadt, abklatschen von Kindern, die am Streckenrand die Läufer anfeuern. Anfeuerung und Motivation an jedem der mehr als gut bestückten Verpflegungsstände durch die stillen Helfer, die meist im Hintergrund wirken und die ganze Veranstaltung erst ermöglichen.
Beeindruckend auch die Natur. Nachts führt die Strecke durch Wälder und Felder, hin und wieder durch kleinere Dörfer, in denen noch spät in der Nacht gefeiert wird. Jeder Läufer wird freudig begrüßt.
Dann, nach dem Leistungstief mitten in der Nacht, der Tagesanbruch: Neue Lebensenergie durchpulst den ganzen Körper. Weiterlaufen, Eins werden mit der prallen Natur. Immer neue Eindrücke strömen auf den Läufer ein. Es ist, als ob die Blumen am Wegesrand den Läufer grüßen, der an einem Streckenabschnitt begleitet wird vom Wasser der Aare. Phasenweise völlig losgelöst von jeglichem Zeitgefühl, aufgegangen im Erleben der Bewegung in der Natur. Dann das Ziel: Freude kommt auf, und Stolz. Etwas vorher Unvorstellbares ist geleistet. Begleitet wird die Freude von Dankbarkeit. Der Dank gilt den Organisatoren und deren Helfer, ja auch all den Menschen, die uns Läufer unterstützt haben. Die ganzen Tage waren durchzogen von einer schwer zu beschreibenden Herzlichkeit und Freude. Alles zusammengenommen: Ein unvergessliches Erleben, dass mein Leben bereichert hat. Danke – und bis nächstes Jahr!
Beitrag von Rüdiger Schaller - Fotos © LaufReport
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